«Verpackungen haben immer Wechselwirkungen auf Lebensmittel»

11. Mai 2023

Kunststoff und Aluminium, PET und Plastik – die Nachfrage nach nachhaltigeren Verpackungen ist gross. Doch welche Materialen sind für welche Lebensmittel geeignet und welchen Einfluss haben diese auf Umwelt, Produktschutz sowie Haltbarkeit? Auch die potentielle Migration von Chemikalien aus der Verpackung in die Lebensmittel ist ein wichtiges Thema.

Katrin Hennig ist Betriebs- und Lebensmittelhygieneingenieurin bei Bio Suisse. Sie arbeitet im Bereich Verarbeitung und Handel in der Abteilung Qualitätssicherung. Sie gibt Hintergrundwissen und erklärt, wie Bio Suisse bei der Bewertung von Verpackungsmaterialen vorgegangen ist und was man auf den neuen Verpackungsmerkblättern findet.

Bio Suisse legt wieder vermehrt den Finger auf das Thema Verpackungen. Warum?

Wir sind uns oftmals nicht bewusst oder verdrängen die Tatsache, dass chemische Stoffe aus Verpackungen durch direkten Kontakt in Lebensmittel übergehen beziehungsweise migrieren können. Das Wissen darüber ist zwar gewachsen, doch reicht die Daten- und Wissensbasis aktuell noch nicht aus, um lückenlos alle Stoffe benennen zu können, die bei einem Material potenziell migrieren können und ob ein damit verbundenes gesundheitliches Risiko besteht. Diese Problematik wird in der Öffentlichkeit aber kaum thematisiert. Für Bio Suisse ist es daher sehr wichtig, hier zu informieren und zu sensibilisieren. Das tun wir unter anderem über unsere neuen Verpackungsmerkblätter.

Wie sind die neuen Verpackungsmerkblätter entstanden und was zeigen sie?

Zusammen mit dem Food Packaging Forum in Zürich haben wir insgesamt 73 Verpackungen für sieben Biolebensmittelkategorien methodisch neu bewertet. In einem ersten Schritt wurde geschaut, was für Stoffe bekannterweise aus einem bestimmten Verpackungsmaterial migrieren. Als Basis dafür dienten zwei vom Food Packaging Forum betriebene, wissenschaftlich fundierte Datenbanken zu Chemikalien in und aus Verpackungen. In einem zweiten Schritt führte das Food Packaging Forum eine Umfrage durch, in der Experten eine Einschätzung zum Migrationspotenzial der Verpackungen abgeben sollten. Zuletzt wurden zusätzliche Faktoren wie Lagerungszeit und -temperatur oder Fett- und Säuregehalt der Lebensmittel bewertet. Dies und mehr hat das Food Packaging Forum zusätzlich in einem englischsprachigen Bericht zusammengefasst. Er trägt den Titel: «Chemical migration from packaging into foods and beverages: A framework to evaluate different packaging options».

Die Migration von Chemikalien ist aber nicht das einzige Kriterium, das am Ende in die Bewertung der Verpackungsmaterialien eingeflossen ist.

Das stimmt. Die Firma Carbotech, eine Spezialistin im Bereich Umwelt- und Nachhaltigkeitsberatung, hat in unserem Auftrag fünf zusätzliche Punkte angeschaut. Erstens, den Produktschutz; also wie gut schützt die Verpackung vor äusseren Einflüssen, wie gut ist ihre Barrierefunktion. Zweitens, wie gut ist die Handhabung in der Verarbeitung und im Handel, etwa beim Abfüllen oder Stapeln, aber auch beim Handling durch die Konsumentinnen und Konsumenten, sprich: lässt sich die Verpackung leicht öffnen und gut wiederverschliessen. Drittens untersuchte Carbotech die Umweltauswirkungen. Das Thema Abfall und Recycling wurde in einem vierten Punkt gesondert bewertet. Als fünftes Kriterium schliesslich wurde mit einbezogen, wie gut eine Verpackung bei den Konsumentinnen und Konsumenten akzeptiert ist.

Mit welchem Ziel?

Mit diesen Bewertungen geben wir unseren Lizenznehmerinnen und Hofverarbeitern einen Überblick darüber, welche Verpackung für welches Lebensmittel welche Vor- und Nachteile hat. Die Merkblätter sind also eine Entscheidungshilfe bei der Suche nach der richtigen Verpackungslösung.

Aktuell sind mit den Merkblättern die Lebensmittelkategorien Milch, Getränke, Käse, Joghurt, Salate, Gemüse und Trockengebäck abgedeckt. Wie geht es weiter in Bezug auf Verpackungen?

Die Erarbeitung der neuen Merkblätter war ein grösseres Projekt, durch das wir selber viel dazugelernt haben. Gerade sind wir dabei, das Thema Verpackung strategisch zu vertiefen und weiterzuentwickeln. Es ist hier noch zu früh Neues mitzuteilen, doch es ist für mich ein wichtiges, spannendes und umfassendes Projekt.

Interview: Maya Frommelt und René Schulte mit Katrin Henning, Bio Suisse
Publiziert in: Bioaktuell. Das Magazin der Bio-Bewegung 4/2023.
Fotos: Unsplash, Archiv Bio Suisse

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