David Yersin, CEO PRONATEC AG: «Es gibt bisher keine vergleichbare Anlage in der Schweiz»

04. Mai 2022

Der Bio-Rohrzucker und Kakao-Pionier PRONATEC hat anfangs Jahr in Beringen nahe Schaffhausen eine neue Produktionsstäte für die Verarbeitung von Kakao eröffnet. Was dies für die Branche bedeutet, aber auch welche Chancen und Risiken damit verbunden sind, erfahren Sie im Interview mit CEO David Yersin.

Herr Yersin, wie ist es dazu gekommen, dass PRONATEC einen neuen Produktionsstandort für die Kakaoverarbeitung in der Schweiz aufgebaut hat?

Der Markt für Kakao-Halbfabrikate war für uns immer sehr wichtig, wir waren jedoch bisher für die Verarbeitung unserer Bio-Kakaobohnen abhängig von externen Lohnverarbeitern, von grossen industriellen Konzernen im Ausland. Mit unserer eigenen Kakaoverarbeitung decken wir neu die gesamte Wertschöpfungskette In-House ab und sind um ein Vielfaches flexibler. Dank einer 100%igen Bio-Produktion können wir zudem die Vermischung mit konventioneller Ware absolut ausschliessen.

Zur Firma

Als PRONATEC vor 45 Jahren gegründet wurde, drehte sich alles um Vollrohrzucker, bald gefolgt vom ersten Bio-Rohrzucker aus fairem Handel – ein Novum zu dieser Zeit. Vor 25 Jahren brachte PRONATEC dann die weltweit erste Bio- und Fairtrade-Schokolade auf den Markt. Im Zentrum des Handels mit Rohstoffen wie Kakao, Gewürzen und Vanille stehen bis heute langfristige Handelsbeziehungen mit Kleinbauernkooperativen und eine direkte Lieferkette ohne Zwischenhandel für 100% Rückverfolgbarkeit der Rohstoffe. Bio und Fair Trade sind ihre Grundsätze. Aktuell hat das Winterthurer Familienunternehmen einen neuen Produktionsstandort zur Kakaoverarbeitung in der Schweiz in Betrieb genommen.

Welche neuen Möglichkeiten ergeben sich dadurch für PRONATEC?

In unserer Anlage stellen wir als erster Betrieb überhaupt alle drei Bio-Kakao-Halbfabrikate Kakaomasse, -butter und -pulver in der Schweiz her. Die Kakaobohnen beziehen wir direkt bei Kleinbauern und Kooperativen in den Ursprungsländern. Von der Beschaffung bei den Kleinbauern über Fermentation und Export bis hin zu Verarbeitung und Verkauf sind alle Prozessschritte in unserer Hand.

Die PRONATEC Swiss Cocoa Production ist auf vollständige Rückverfolgbarkeit und Chargentrennung ausgelegt. Das heisst, dass der Weg von Kakaomasse, Kakaobutter und Kakaopulver in unserer Anlage stets nachvollzogen werden kann und die getrennte Verarbeitung jeder einzelnen Produktions-Charge jegliche Vermischung verhindert. Wir sind somit in der Lage, die Kriterien für anspruchsvolle Zertifizierungen zu erfüllen und einzigartige Spezialitäten herzustellen. Gleichzeitig zeichnet sich unsere Anlage durch eine sehr grosse Flexibilität aus. So ermöglichen wir auch kleine, individuelle Produktions-Chargen oder verarbeiten kundeneigene Kakaobohnen in Lohnverarbeitung.

Mit welchen Herausforderungen waren Sie bei diesem Prozess konfrontiert?

Die Finanzierung des Projekts hätten wir als KMU mit beschränkten eigenen Mitteln nicht stemmen können. Möglich war das nur dank privaten Investoren, die sich von unserer Idee einer nachhaltigen Schweizer Kakaoverarbeitung begeistern liessen und uns zusammen mit den Banken die nötige finanzielle Unterstützung gaben. Die Wahl eines geeigneten Standorts war ebenfalls nicht ganz einfach. Beringen bei Schaffhausen bietet uns nun aber die idealen Bedingungen und ein ausbaufähiges Areal.

Das ist sehr viel Verantwortung. Wie gehen Sie damit um?

Für mich war von Anfang an klar, dass die Verantwortung auf mehrere Schultern verteilt und breit abgestützt sein muss. Ideen werden im Gremium diskutiert und herausgefordert, es wird mitgedacht und mitgetragen. Dieses Gremium ist einerseits die Geschäftsleitung der PRONATEC Swiss Cocoa Production in Beringen, andererseits die Geschäftsleitung am Hauptsitz in Winterthur sowie unsere Abteilungsleiterinnen, -leiter und Mitarbeitenden, die viel Verantwortung übernehmen.

Zur Person

David Yersin, Jahrgang 1962, stieg 1989 ins Unternehmen seines Vaters ein und entwickelte es von der Zweimannfirma zum KMU mit rund 60 Mitarbeitenden am Hauptsitz Winterthur und aktuell rund 25 Mitarbeitenden am neuen Produktionsstandort in Beringen bei Schaffhausen. Seiner Vision von Bio- und Fairtrade-Rohstoffen ist David Yersin stets treu geblieben – obwohl es zu Beginn viel Skepsis gab. Mit der PRONATEC Swiss Cocoa Production hat er diesen Frühling eine in ihrer Art einzigartige Schweizer Kakaoverarbeitungsanlage zur Herstellung von Kakaomasse, -butter und -pulver in Betrieb genommen. Die hochkomplexe Anlage lässt Davids Technikerherz höherschlagen und begeistert ihn.

Ein neuer Produktionsstandort in der Schweiz aufzubauen, birgt einige Risiken. Welche waren dies für Sie?

Da ich die Bedingungen in vielen Drittweltländern aus nächster Nähe kenne, sehe ich am Standort Schweiz viele Vorteile: die Nähe zu den Kunden und zum Hauptsitz Winterthur, der Zugang zu erfahrenen Fachkräften aus der Schweizer Schokolade- und Lebensmittelindustrie und die Nähe zum wichtigen Anlageinstallationspartner Bühler waren in meinen Augen schwerer zu gewichten als höhere Löhne und Immobilienkosten in der Schweiz. Zudem besetzen wir mit unserer Kakaoverarbeitung eine Nische, da es bisher keine vergleichbare Anlage in der Schweiz gibt.

Waren Sie mit anderen Playern der Branche im Austausch?

Die Rückmeldungen von anderen Akteuren der Branche waren durchwegs positiv, der Aufbau einer Bio-Kakaoverarbeitung schien vielen sinnvoll. Insbesondere die Bio-Schokoladenhersteller aus der Schweiz oder dem nahen Ausland zeigen grosses Interesse.

Welche Erfahrungen konnten Sie nach der Einführungsphase bereits machen?

Das Hochfahren einer derart komplexen technischen Anlage ist weit zeitaufwändiger, als es ein Nicht-Fachmann erwarten würde. Zudem funktioniert eine Produktionsanlage völlig anders als ein Bürobetrieb: Die Auslastung der Anlage ist immer ein grosses Thema, es gibt Schichtarbeit und es entsteht eine ganz eigene, einzigartige Betriebskultur. Die Wahl der richtigen Mitarbeitenden ist zentral und wir freuen uns, dass es uns gelungen ist, Menschen mit viel Herzblut und Erfahrung zu finden. Sie stehen mit vollem Engagement hinter «ihrer» Produktion, auch wenn ein Tag mal nicht um 17h endet, und bauen voll auf ihrem langjährigen Erfahrungsschatz auf.

Welche Projekte stehen als nächstes an?

Ich wünsche mir, dass wir unsere Kakaoverarbeitung erfolgreich betreiben und ausbauen können. Dazu gehören auch Investitionen in unserer Tochtergesellschaft YACAO in der Dominikanischen Republik, von der wir in Zukunft noch mehr hochwertige Bio- und Fairtrade-Kakaobohnen beziehen möchten. Ich denke hier beispielsweise an den Ausbau der Kakao-Trocknungsflächen oder Fermentationszentren

Noch eine Frage zu Knospe: Welche Bedeutung hat die Bio-Knospe für Sie persönlich und für PRONATEC?

Die Knospe steht für mich für den Schweizer Ursprung der Bio-Bewegung. Sie ist etwas typisch Schweizerisches, und ich schätze es sehr, dass die Vorgaben der Knospe strenger sind als die von EU-Bio.

Welche Erfahrung bei PRONATEC hat Sie bisher am meisten geprägt?

Ich habe gelernt, dass es Beharrlichkeit und einen festen Glauben an etwas braucht, damit Grosses entstehen kann. Oft geschieht das nicht über Nacht, sondern gegen Widerstände. Dabei geht es immer darum, nach der optimalen Lösung zu streben. Für mich ist es selbstverständlich, Kunden, Lieferanten und Mitarbeitende fair zu behandeln. Langfristige Partnerschaften und die Freude an der eigenen Arbeit sind für mich wichtiger als rein finanzielle Interessen.

Immer wieder durften wir schöne Zeichen der Anerkennung für unsere Tätigkeit entgegennehmen. Die Verleihung des ZKB-Nachhaltigkeitspreises für KMU 2016 (2. Rang) oder die Berichterstattung im NZZ Format 2007 über das Vanille-Projekt unseres Partners PREMIUM SPICES in Madagaskar waren Erfahrungen, die über das Tagesgeschäft hinausgingen und mich sehr gefreut haben.

Interview: Maya Frommelt mit David Yersin, Bilder: zVg PRONATEC

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